Binnenwasserstraßennetz
Ein Gespräch mit Klaus-Günter Lichtfuß
Thema

Binnenschifffahrt der nächsten Generation

Verstopfte Straßen, Staus und hohe Feinstaubbelastungen – das derzeitige Mobilitätsmodell stößt an seine Grenzen. Eine Verkehrswende ist daher dringend erforderlich. Dabei dominieren viele verschiedene Schlagwörter wie Dieselfahrverbot, Carsharing, autonomes Fahren oder Elektromobilität die Debatte. Doch wie soll sie aussehen, die Mobilität der Zukunft?

Die Schwarm-Mobilität als umweltschonende, intelligent gesteuerte und gerecht geteilte Form der Mobilität mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen zeichnet sich zunehmend als mögliches Mobilitätssystem der Zukunft ab.

Der Bundesverkehrswegeplan sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 der Güterverkehr mit Binnenschiffen um 23 Prozent wachsen soll. Herr Lichtfuß, was heißt in diesem Zusammenhang Schwarm-Mobilität?

Wir bei der BEHALA beschäftigen uns, übrigens gemeinsam mit der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam, mit der Entwicklung von Anwender-Konzepten, um Lieferketten zu optimieren. Es stellte sich uns die Frage, an welchen Stellen Bootsverkehr in etablierte Gütertransportketten eingesetzt werden kann. Heute kommen hauptsächlich Lkws zum Einsatz. Wenn nur ein Teil davon aufs Wasser verlagert wird, könnte dies den Straßenverkehr und das Klima deutlich entlasten. Wir müssen in der Logistik also von der Straße auf’s Wasser. Aber wenn wir das wollen, müssen wir alle Wasserstraßen nutzbar machen. Kleinere Wasserstraßen bilden eine große Reserve, die nutzbar gemacht werden kann. Kleinere aneinander gereihte und gekoppelte Schiffseinheiten bilden einen Schwarm. Das ist ökonomisch, ökologisch und sozial sinnvoll.
In der Antriebstechnologie setzen wir auf Hybrid-Konzepte. Stichworte hier sind Lärmschutz und Emissionsfreiheit.

Das klingt sehr nach Zukunftsmusik. Wann können wir denn mit ersten Versuchen rechnen?

Die Automatisierung der Schifffahrt auf Flüssen und Seen stellt eine Möglichkeit dar, das große, bislang ungenutzte Potenzial der Wasserwege zu heben. Die Idee ist, dass kleine, flexible Binnenschiffe miteinander kommunizieren, ihre Routen selbst berechnen und ihre Ladung eigenständig an Umschlagpunkten auf- und abladen können. Digitale Assistenzsysteme könnten dabei die energie- und ressourcensparendste Fahrweise ermitteln sowie Unfallrisiken frühzeitig erkennen.
Damit aus der Vision Realität wird, braucht man Versuchssitationen. Die Spree-Oder-Wasserstraße ist unser Real-Labor. Start des Projektes A-SWARM, das bis bis Mitte 2022 laufen soll, war der 01. September 2019.

Wo gibt es noch Herausforderungen zu meistern?

Insbesondere bei sich verändernden Untergründen ist die Erfahrung von Kapitänen noch nicht zu ersetzen, weil sie die Unterwasser-Gegebenheiten kennen und einschätzen können. Da ist also noch viel zu tun.

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